Meine neue Heimat
Heimat ist, wo du wohnst…
Regino Prado (54), aus Kuba, Schulassistent am Sonderpädagogischen Zentrum Pestalozzischule
Es ist das geschäftige Treiben auf den Straßen Kubas, das Gewimmel von Menschen, die Nachbarn, die einander über den Zaun zurufen und sich auf einen Kaffee einladen. Es ist die Musik, die sich wie ein Schleier über die Stadt legt und sie mit Leben ausfüllt. Das ist es, was ich manchmal vermisse.
In Kuba wuchs ich als eines von zwei Kindern auf, in einer großen, temperamentvollen Familie, umgeben von vielen Freunden. Dort habe ich auch eine Ausbildung zum Tourismusfachmann absolviert und unter anderem als Lehrer für Tourismusberufe gearbeitet. Der Liebe wegen kam ich im Alter von 42 Jahren zunächst nach Deutschland, später zog ich dann nach Braunau. Die Fernbeziehung, die ich lange Zeit mit einer Kuba-Touristin führte, war für uns beide zu kompliziert geworden und so entschlossen wir uns dazu, eine gemeinsame Zukunft in Europa aufzubauen. Zunächst waren nur drei Monate Aufenthalt geplant, um das „fremde Land“ kennen zu lernen. Daraus ist dann ein Jahr geworden, in dem ich viel erlebt habe. Europa und Schnee kannte ich lange Zeit nur aus Büchern. Umso schöner war es, plötzlich hier zu sein und den Bildern in den Büchern Leben einzuhauchen. Doch selbst die kitschigste Schneekulisse und die malerischste Landschaft konnten das Heimweh, das ich manchmal empfand, nicht einfach auslöschen. Durch Schwierigkeiten beim Erlernen der neuen Sprache wurde dieses Gefühl anfangs verstärkt. Ich arbeitete eine Zeit lang in einer Bar und traf dort auf viele Menschen. Leider schlich sich bei uns die Angewohnheit ein, Englisch zu reden, was das Erlernen der deutschen Sprache nicht unbedingt förderte. Mittlerweile bemühe ich mich, so viel wie möglich Deutsch zu sprechen und laufend an mir zu arbeiten. Dass auch das Fremde irgendwann ein Teil von mir wurde, merkte ich bei einer Kuba-Reise vor sechs Jahren. Mein Urlaub hätte drei Wochen dauern sollen, doch bereits nach der zweiten zog es mich wieder zurück nach Österreich. Ich hatte dieses Land mit all seinen schönen, aber auch kuriosen Seiten so ins Herz geschlossen, dass ich mich dort einfach heimisch fühlte. Meine Frau hat mittlerweile sogar ein Buch mit dem Titel „Ich hab’ zwei Mamas“ darüber geschrieben, was der Alltag im Zusammenleben zweier Kulturen so mit sich bringt. Es sind die kleinen, lustigen Geschichten, aber auch die Schwierigkeiten, durch die wir voneinander lernen.
Ein altes kubanisches Sprichwort lautet „La vida es corta pero una sonrisa sólo precisa un segundo“ und bedeutet übersetzt „Das Leben ist kurz, aber ein Lächeln ist nur die Mühe einer Sekunde“. Das ist einer der Leitsätze in meinem Leben und trifft auch auf meine Arbeit mit Kindern zu. Seit sechs Jahren arbeite ich als Schulassistent für Kinder mit Behinderung in der Pestalozzischule. Ich helfe ihnen bei alltäglichen Dingen, hole sie von zuhause ab, bringe sie zur Schule und male oder musiziere mit ihnen. An dieser Arbeit schätze ich die Ehrlichkeit der Kinder. Sie freuen sich über so kleine Dinge wie ein Lächeln, Aufmerksamkeit und etwas Zeit, die man ihnen schenkt. Kinder sind aufrichtig im Lachen, aber auch im Weinen und in ihrer Wut. Diese Fähigkeit kommt uns mit dem Alter oft abhanden. Ich habe das Glück, dass ich mich manchmal selbst noch wie ein Kind fühle. Diese Eigenschaft ist wichtig, um meinen Job ausüben zu können, der eine Begegnung auf Augenhöhe voraussetzt.
Meine zweite Leidenschaft neben der Arbeit mit Kindern ist die Musik. Seit Jahren gebe ich Tanz- und Zumbaunterricht, bin Mitglied der Band „Trio Habana“ und veranstalte regelmäßig Salsa-Abende. Neben meiner Rolle als Ehemann und Vater von zwei Kindern sind es diese zwei Bereiche, die mein Leben bereichern. Ich bin froh, meine Fähigkeiten in Österreich unter Beweis stellen und meinen Hobbys nachgehen zu können, ohne das Gefühl zu haben, mich selbst aufgeben zu müssen. Auch das macht Heimat für mich aus.